Halbzeit

Gerade sitzen wir auf unsere zwei Busse verteilt und fahren Richtung Süden. Draussen regnet es, und hier drinnen ist es gemütlich warm – hinter uns ist es ausserordentlich still, denn die Schüler hören Musik oder plaudern miteinander. Es ist Zeit, auf die erste Hälfte der Reise zurückzublicken. Die ersten Tage waren der Unsicherheit und der Orientierung gewidmet: Haben wir alles dabei? Hält unser Lager auch Sturm und Böen stand? Und was machen wir, wenn die Stimmung dann doch nicht so toll ist, wie man es sich manchmal wünscht? Was ist, wenn die andern mich nicht mögen oder mich alle nerven? Wie geht es meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden? Wie halte ich es aus, vier Wochen keinen Kontakt mehr zu haben? Habe ich dann überhaupt noch Freunde? Und überhaupt, was soll das Ganze hier? Wir konnten beobachten, wie in der ersten Nacht nur fünf Schüler im Anhänger schliefen, während die restlichen sich in der nahen Umgebung in den Hängematten nächtigten. In der zweiten Nacht waren es bereits neun und in der dritten waren es alle Zwölfe. Dies hat sich bis heute nicht verändert, ausgenommen in einer Nacht haben sich drei einem Museumsschlaf gewidmet.

Am zehnten Tag hörten wir das letzte Mal den vorher oft gesagten Satz: «Ich will nach Hause»! Wir Lehrer ihn denkend, nicht ausgeschlossen.

Überrascht waren wir darüber, wie intensiv und interessiert die Schüler in die Recherchearbeit im Ballenberg Museum eingestiegen sind, mit welcher Offenheit und Ausdauer sie sich den Details der Häuser gewidmet haben.

Trotzdem waren die ersten Tage insofern anstrengend, dass das Tagebuch- und Blogschreiben, Kochen, Abwaschen, Betreuen, Beschäftigen, Geschichte erzählen – und dabei gute Laune behalten – für die Schüler manchmal bis Mitternacht und für die Lehrpersonen oftmals noch länger andauerten.

Somit waren wir alle voll beschäftigt und jede Art von Routine in weiter Ferne. Konflikte blieben nicht aus.

Dank der inzwischen dazugewonnenen Sicherheit wird dasselbe nun in einem Drittel der Zeit geleistet. So geht das Auf- und Abbauen unseres Lagers Hand in Hand. Das Abwaschen wird von den Schülern selbst organisiert und die Schlafrhythmen haben sich dem kollektiven Bedürfnis nach Schönheit angepasst.

Auch die Blogs werden von einigen Schülern selbständig geschrieben, während andere weiterhin von uns unterstützt werden.

Trotz aufkommenden Wolken, kühleren Temperaturen und nächtlichen Schauern (Sturzregen) gab es gestern Stunden, in denen man sich fühlte wie in den Ferien mit einer grossen, eingespielten Familie.

Wir hatten auch einige Vorbilder: in Herzogenbuchsee herrschte ein Klima von Vertrauen, Offenheit und Hilfsbereitschaft. Nach weniger als 15 Minuten bezogen wir einen sonnigen und geschützten Standplatz – direkt neben der Turnhalle, visavis vom Schwimmbad, ausgestattet mit WC und der Möglichkeit in der Garderobe zu duschen. Eine Stunde später hielt Herr Dr. Walter Gfeller einen Vortrag über die Geschichte von Herzogenbuchsee und speziell über das Handwerkerhaus, welches heute im Ballenberg steht. Am nächsten Morgen stand uns der Gemeindepräsident Markus Loosli im Sitzungszimmer des Gemeindehauses für eine Frage- und Antwortrunde zur Verfügung. Ein weiteres Highlight war die Entdeckung des noch bestehenden Nachbarhauses vom Ballenberghaus. Wir klingelten und wurden von einer überaus netten Familie empfangen. Sogleich kamen wir in den Genuss einer umfänglichen Hausführung und wurden über die moderne und erhaltende Renovationsweise alter Häuser unterrichtet. Im Haus spiegelt sich die Handschrift der Bildhauerin und des Schreinermeisters deutlich wieder.

Allgemein sind wir mit unserem Projekt auf grosses Interesse gestossen. An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an alle Herzogenbuchseeer für ihre Gastfreundschaft. Wie ein Schüler in einem Beitrag treffend beschrieben hat: Ein Dorf ohne See aber mit viel Herz!

Last but not least unsere unsichtbaren und doch präsente Begleiter: das Filmteam Agnese und Benjamin. Die ein oder andere offene Tür sowie Spende haben wir wohl ihnen zu verdanken.

Dadurch dass die Kamera bei vielen Erlebnissen dabei ist, wurde sie für die Schüler selbstverständlich. Mitunter provoziert sie lustige Situationen. So wurden die Schüler auch schon nach Autogrammen gefragt oder von kleinen Jungen und Mädchen für die wilden Kerle gehalten.

Inzwischen haben wir die Südseite des Gotthardtunnels erreicht, blicken den wärmeren Temperaturen und neuen Erlebnissen erwartungsvoll entgegen.

 

Geschrieben vom Lehrerteam